Lasst die Kinder leuchten!

Simone Walter (Text), Annett Melzer (Fotografie)

Kinder machen die Welt bunt – und das wird so richtig augenfällig, wenn sie in Kleidung aus der Werkstatt von Kathleen Feldbrügge herumtoben dürfen. Die Schneiderin aus dem Wendland erschafft robuste und natürlich schöne Hosen, Röcke, Kleider, Puschen und Käppis, die mit ihren Trägern durch dick und dünn gehen. Und die nur einem Zeitgeist gehorchen: Der Jetzt-ist-Spielzeit!

„Die Stücke sollen bunt sein, praktisch und Lieblingssachen werden“, so das Credo der leidenschaftlichen Kinderschneiderin. Ihre beiden Jungs mit fünf und sieben Jahren und das Töchterchen mit drei machen immer den Praxistest für ihre selbstentwickelten Modelle. Die Kinder lieben die bequemen Sachen in den leuchtenden Farben: „Der Große liebt rot, der Mittlere orange und die Kleine gelb.“ Dass Kleidung für Jungs ansonsten mit Farbe eher geizt, war für die Mutter Ansporn, auch sie mit der Farbfülle zu verwöhnen, die sonst meist den Mädchen vorbehalten bleibt.

Hosen wie die Großen

Besonders die kleinen Handwerkerhosen haben es der Schneiderin und den Kindern angetan – Mädchen genauso wie Jungs. In ebenso weichem wie strapazierfähigem Cordsamt in Gelb, Rot, Blau oder Grün mit farblich abgesetzten Tascheneinfassungen kommen die kleinen Modelle genauso professionell daher wie das Pendant für die Erwachsenen: Mit doppeltem Reißverschluss, Lederbesatz, Zollstocktasche und stabilem Taschenfutter. „Unsere Jungs haben die Hosen noch nicht kaputtgekriegt. Wenn die rausgewachsen sind, werden sie vererbt“, erklärt Kathleen. Auch die Dreijährige hat schon ihre Handwerkerhose – in leuchtendem Gelb, versteht sich. Und viele andere hat sie bereits mit dem Allround-Kleidungsstück ausgestattet. „Die Kinder finden es einfach cool, genau solche Hosen zu haben, wie der Papa oder Opa.“ Und die Mütter freuen sich, dass das Material so pflegeleicht ist: Der Spieldreck wird nach dem Trocknen einfach ausgebürstet.

Licht und Farbe für die Lieblingskleidung

In der lichtdurchfluteten Werkstatt im Dachgeschoss stapeln sich in Regalen die farbigen Stoffe, an einer Stange hängen fertige Jacken und Westen aus gefilztem Wollwalk. Aus diesem Material zaubert Kathleen auch kuschelweiche und wärmende Hausschuhe in allen Farben mit verschiedenen spielerischen Applikationen, die bei den Kindern ebenfalls hoch im Kurs stehen. „Die springen morgens aus dem Bett und ziehen freiwillig diese Hausschuhe an“, amüsiert sich die Mutter. Die aus vielen Kindern schon „Wiederholungstäter“ gemacht hat – wenn sie rausgewachsen sind, wollen sie oft wieder solche Puschen haben.

Alle Stoffe wäscht sie vor dem Verarbeiten, so ist die Kleidung von Anfang an hautfreundlich und kann nicht mehr einlaufen. Und wenn beim Toben ein Kleidungsstück mal ein Loch abkriegt, ist auch das kein Unglück. Gerade hat Kathleen eine Hose zum Reparieren bekommen, in die der Filius beim Baumklettern einen Triangel gerissen hat. „Das nähe ich von Hand zu, das sieht man dann fast nicht mehr“, lächelt sie entspannt.

Roter Faden mit Schleifen

Kathleen, 1979 in Berlin geboren und aufgewachsen, widmete sich schon als Kind mit Begeisterung Nadel und Faden. Ihre Eltern beackerten als Journalisten ganz andere Felder, aber zum Glück war da die Oma, die sie um Anleitung und Rat fragen konnte. Dass aus dem Hobby mal ein richtiger Beruf werden würde, war eigentlich gar nicht geplant. Die Ausbildung zur Herrenschneiderin an der Deutschen Oper Berlin machte die passionierte Handwerkerin vor allem, um das Ganze mal richtig zu lernen. „Dann hat es mit dem Studienplatz nicht geklappt und so bin ich da hängengeblieben.“ Mit der praktischen Tätigkeit nach der Schneiderlehre wuchs dann die Liebe zu dem kreativen Beruf mit den schönen Materialien.

Der Zufall führte die Schneiderin in das Terrain der Kinderbekleidung, in dem sie schnell Fuß fasste. Nachdem die Jüngste abgestillt war, stieg sie wieder richtig in ihren Beruf ein. Nach dem ersten Erfolg mit Kindersachen auf dem Handwerkermarkt brachte sie ihre Kollektion auch im „KdW“ – Kaufhaus des Wendlands in Dannenberg unter, in dem regionale Künstler und Handwerker unter einem Dach einen gemeinsamen Verkauf ihrer selbstgeschaffenen Produkte organisieren. Seitdem ist sie rund ums Jahr gut ausgelastet. „Eine Frau hat schon ihre ganzen Neffen und Nichten mit den Handwerkerhosen ausgestattet und wartet jetzt darauf, dass ihr eigenes Kind endlich soweit ist“, lacht sie.

Wanderjahre – ein buntes Abenteuer

Die Leidenschaft für dieses traditionelle und praktische Kleidungsstück rührt noch aus ihrer Zeit als Wandergesellin. Drei Jahre und einen Tag ging sie im ganzen Bundesgebiet auf die Walz, um in verschiedensten Betrieben Erfahrungen zu sammeln. Dabei war sie als Schneiderin eine Rarität unter den wandernden Handwerkern. „Von 500 wandernden Handwerksgesellen gab es gerade mal sechs Schneider“, berichtet sie. „Meine Walzkluft war aus dunkelrotem Cord und die musste ich mir als Schneiderin natürlich selber nähen.“ Auf dem Kopf trug sie einen schwarzen Zylinder, vom Ohr baumelte das Handwerkersiegel der Schneiderzunft.

Zwischen Bayern und Schleswig-Holstein nähte sie hier Damenkleidung, dort Taschen aus LKW-Plane oder Sonnensegel, half in einer Polsterei oder machte Theaterfestspiele mit. Für einen Philosophen und seine Frau, die sie auf Norderney kennenlernte, durfte sie Matrosenhosen schneidern. „Die erste fanden sie so toll, dass ich sie gleich viermal nähen durfte“, lacht Kathleen. Auf einer Party in Flensburg traf sie einen jungen Mann, der sie in die Werkstatt seines Vaters nach Aschaffenburg vermittelte, wo sie alsbald Motorradkleidung aus Leder nähte.

In Bremen schrieb eine begeisterte Journalistin einen Bericht über die Frau auf Wanderschaft. Flugs engagierte sie die Bremer Shakespeare Company, die gerade dringend Aushilfen suchten. „Die Arbeit kam immer zu mir“, schmunzelt die Schneiderin, „das geht total verworrene Wege, man kann sich das nicht vorstellen!“

Weichenstellung und Wachstum

Auf der Wanderschaft fand sie auch ihren Lebenspartner, der als Zimmermannsgeselle unterwegs war. Die drei Kinder, die nach und nach das Familienleben bereicherten, genießen nun den Luxus, in schönen selbstgeschneiderten Kleidungsstücken aufzuwachsen.

Inzwischen hat die ambitionierte Schneidergesellin bereits die nächste Stufe im Visier: die Ausbildung zur Meisterin. „Dabei wird von Grund auf Schnitttechnik vermittelt, um jedem Kleidungsstück auch bei Problemzonen die optimale Passform zu geben“, erklärt Kathleen. Auch junge Menschen im Schneiderhandwerk auszubilden ist für sie eine mögliche Perspektive.

Die drei Kinder jedenfalls begeistern sich bereits jetzt für die Tätigkeit der Mutter. „Wenn ich nachmittags unten in der Stube am Nähen bin, sticheln die Jungen auch schon an Kleidung für die Puppen“, lächelt Kathleen, „und sogar die Kleine übt schon, Stoffteile zusammenzuheften.“